Werner Hurter war laut Inschrift Landrichter des oberen und niederen Thurgau, Mitglied des Kleinen Rats sowie Stadtfähnrich in Frauenfeld. Er war der Sohn des Werner, der 1630 Schultheiss in Frauenfeld und mit Anna Reimann verheiratet war (Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz, 4/1927, S. 326). 1645 wird in den Eidgenössischen Abschieden der Wunsch der katholischen Gesandten festgehalten, dass die frei gewordene Ratsstelle des Landammanns Rüpplin von Werner Hurter, Sohn des Schultheissen, besetzt werden solle (Eidgenössische Abschiede, 5,2, S. 1608 (1645)). 1657 ist Werner Hurter katholischer Gesandter Frauenfelds, 1672 ist er vermutlich verstorben, da zu der Zeit sein Haus der Kirche zugefallen war (Eidgenössische Abschiede, 6, 1.II, S. 1177, 1199).
1667–1669 erstellten die Gesellschaft “zur Oberstube” und die Stadt Frauenfeld gemeinsam den vorderen Strasshof (Knoepfli, 1950, S. 153). Da das alte, “grosse” Rathaus von 1512 bereits von verschiedenen Nutzungen (Metzgerei-, Schmalz- und Kaufhaus, Tagsatzungslokal) ausgelastet war, sollte der neuerbaute vordere Strasshof als Versammlunglokal der Räte und des Gerichts dienen (Rathaus Frauenfeld, 1983, S. 92). Auf diesen Neubau bezieht sich folgender Eintrag im Ratsprotokoll der Stadt Frauenfeld: “Jst Erkhendt das in der Oberen Stuben die H. des Kleinen Rhats ... ein fenster sambt ihren schilten geben vd ...” (Bürgerarchiv Frauenfeld, Protokollbuch 1665–1672, Eintrag 7. März 1668; vgl. auch 6. Juli 1667). Im Jahr 1668 stiftete also der Kleine Rat von Frauenfeld eine Scheibe in den vordern Strasshof. Für den August denselben Jahres ist im Kassabuch des Seckelmeisters von Frauenfeld folgender Eintrag vermerkt:
“deß [gleichen] tags dem glasser Maller von wil für vns 12 schÿlt in straßhoff ludt” (Bürgerarchiv Frauenfeld, Steuerbuch 1658–1684, D3).
Demnach erhielt der Glasmaler von Wil im August 1668 den Lohn für 12 “schilt”, die er im Auftrag des Rates von Frauenfeld für in den vordern Strasshof hergestellt hatte. Zu diesem Zyklus gehörten neben einer Stadtscheibe weitere Scheiben von Amtspersonen, etwa den Mitgliedern des Kleinen Rats. Die vorliegende, 1668 entstandene Scheibe des Landrichters und Ratsmitglieds Werner Hurter war sehr wahrscheinlich diesem Zyklus zugehörig. Bestätigen lässt sich dies durch den Stil der Glasmalerei. Bei dem in der Quelle genannten Wiler Glasmaler muss es sich um Hans Caspar Gallati (1633–1699), den einzigen damals tätigen Wiler Glasmaler, handeln. Die vorliegende Scheibe des Werner Hurter weist nun enge stilistische Parallelen zu Gallatis signierten Werken auf (vgl. die Rundscheiben von 1672 im Brunnerhaus in Glarus, Klöti-Grob, 1967, Nr. 84–87; Willkommscheibe Hans Wendel Scherrer und Anna Rüdlinger, Victoria and Albert Museum, Inv. Nr. C.379-1926, collections.vam.ac.uk, 2020; TG_1656; TG_54; TG_295; Wappenscheiben für Johann Adam Keller und Fridolin Freuler von 1679, Ithaca College, New York, Parsons Lillich, 2004, Kat. Nr. IC 8 und 9).
Nachdem 1788 das alte Rathaus von Frauenfeld durch einen Brand zerstört worden war, wurde 1790–94 der Neubau des heutigen Rathauses in Angriff genommen. Dieser Neubau wurde an Stelle des abgetragenen vorderen Strasshofes errichtet (Knoepfli, 1950, S. 144; Rathaus Frauenfeld, 1983, S. 93). Die Scheibe des Werner Hurter befindet sich demnach heute im Nachfolgebau des Gebäudes, in das sie ursprünglich gestiftet worden war.
Während in der gemeinen Herrschaft Thurgau nur wenige Zyklen von Amtspersonen bekannt sind, waren sie in den regierenden Orten weit verbreitet, siehe etwa die Zyklen Berns in der Kirche Nydegg von 1668 (BE_61) und in der Kirche Kirchenthurnen von 1673 (BE_674). In thurgauischem Gebiet sind die Zyklen für das Schützenhaus Wellhausen von 1680 (TG_37–44, TG_92), das Schützenhaus Weinfelden von 1682 (TG_79–89, TG_1457), die Stadtschule in Bischofszell von 1660 (TG_104– 109) und die Kirche Egelshofen von 1724 (TG_142–152) sowie ein Zyklus von Weinfelder Bürgern aus dem Jahr 1683 (TG_1450, TG_87, TG_1375) vergleichbar.
Die Scheibe wird genannt in:
Büchi, 1890, S. 38, Nr. 20.
Stähelin, 1890, S. 43, Nr. 22.
Rickenmann, 1940, Abb.
Rathaus Frauenfeld, 1983, S. 30.
Früh/Ganz, 1987, S. 20.