Nach der Legende des 6./7. Jahrhunderts ist Katharina die Tochter des Königs von Zypern. Die reiche, schöne, gebildete und weise Prinzessin erkennt, dass unter allen Bewerbern für sie Christus den besten Bräutigam darstellt. Im Traum steckt das Jesuskind ihr in mystischer Vermählung den Ring an den Finger. Nach ihrer Taufe bekehrt sie 50 Philosophen, die Kaiserin, den Kerkermeister und 200 Ritter zum Christentum. Auf Befehl des Kaisers Maxentius soll sie in Alexandrien gerädert werden, doch zerstören Blitz und Donner das Rad. Der Leib der schließlich mit dem Schwert hingerichteten Heiligen wird von Engeln auf dem Sinai bestattet, wo eine wichtige Wallfahrt entsteht. Seit dem 13. Jahrhundert ist Katharina nach der Muttergottes die meistverehrte Heilige. Sie gehört zu den Vierzehn Nothelfern und wird oft als eine „der drei heiligen Madeln“ mit Barbara und Margaretha dargestellt. Ihrer Bildung und Beredsamkeit wegen gilt sie Anwälten und Universitäten als Patronin, aber auch Vertreter aller Berufsgattungen, die mit den Werkzeugen ihres Martyriums Rad und Schwert oder Messer arbeiten, rufen sie an.
Bisher konnte keine Grafik beigebracht werden, die als Vorlage für das Hinterglasbild gedient haben könnte. Mit der Datierung 1523 muss ein Ereignis verbunden sein, das den Auftrag für das prachtvolle Kleingemälde auslöste, doch gibt es weder inschriftliche noch heraldische Hinweise, ob es sich dabei um eine persönliche Bestellung für den Eigengebrauch, um eine Schenkung an eine Privatperson oder um eine Stiftung in ein privates oder öffentliches Gebäude handelt. Die Güte des gläsernen Bildträgers, die sorgfältige Maltechnik mit viel Blattgold und akribisch feiner Radierung weisen es ebenso wie die hohe künstlerische Qualität als eine kostbare Hinterglasmalerei aus, die nur im Umfeld wohlhabender Besitzer entstehen konnte. Ob sie einst ein Gegenstück mit der Darstellung der Muttergottes mit dem Kind besaß, wie dies Rogier van der Weyden (um 1400–1464) in seinem rund hundert Jahre früher gemalten Diptychon-Altärchen vorgebildet hatte, ist nicht nachweisbar (Um 1430/32. Wien, Kunsthistorisches Museum. Inv. Nr. GG 955. Öl auf Holz, 18,8 x 12,1 cm (Tafelmaß). Auch das Zentralbild einer Hinterglasmalerei mit der Muttergottes und dem Jesuskind im Museo Civico d’Arte Antica in Turin ist ähnlich aufgebaut (Inv. Nr. 269/VD). Die Hinwendung der Figuren nach rechts und der Übergabegestus des Jesuskindes ließen ebenfalls eine Pendant-Tafel erwarten, die jedoch nicht Katharina, sondern wohl den hl. Dominikus dargestellt hätte. Das etwa zeitgleiche, Flandern zugewiesene Hinterglasbild ist nicht formatidentisch und weicht stilistisch deutlich ab. Die Wendung der hl. Katharina nach rechts kann durch die für Hinterglasmalereien übliche seitenverkehrte Umsetzung der grafischen Vorlage bedingt sein, denn sie hält das Schwert in der Linken. Somit würde Maria mit dem Jesuskind auf dem rechts befindlichen Bild vorauszusetzen sein, was zwar hierarchischer und heraldischer Höflichkeit widerspricht, doch auch um 1515 in einem kölnischen Glasgemälde, das diesem Umkehrungsprozess der Vorlage nicht unterworfen ist, in dieser Form dargestellt ist (Darmstadt, Hessisches Landesmuseum, Inv. Nr. Kg 54:116). Den gleichen Bildaufbau mit Balustersäulen und Einzelfigur besitzt das um 1520/30 datierte, ebenfalls kostbar gestaltete Hinterglasgemälde mit der Darstellung des hl. Urban im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (Inv.-Nr. 1927,70).
Die Maltechnik des Katharinenbildes mit dem konturierenden wie lasierenden Schwarzlot und der Federkielradierung verraten einen gelernten Glasmaler. In den Engelsfiguren, aber auch im distanzierten Gesichtsausdruck Katharinas mit dem hellen, weißen Inkarnat ohne Wangenrot, der langen schmalen Nase, den großen Augen und dem kleinen, fast schmollenden Mund erscheint sein Stil etwas steif – vielleicht der für ihn ungewohnteren Hinterglastechnik wegen –, doch der auch mit viel Gold auf Repräsentation zielenden Darstellung durchaus angemessen.
Dieselben formalen Mittel setzt auch der Maler des Hinterglas-Triptychons mit der Darstellung des Letzten Abendmahls und der heiligen Jakobus Major und Maria Magdalena um 1525 ein (Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr. SK-A-4294). Maltechnisch und stilistisch steht es dem Katharinenbild derart nahe, dass es der gleichen Malschule, wenn nicht der gleichen Werkstatt angehören muss. (Bretz, Hahn, Jolidon, Ranz 2016. S. 241/242)