Research
Wie eine alte Fotografie beweist, trug die Scheibe, von der sich nur geringe Reste im Original erhalten haben, vor ihrer letzten Restaurierung eine eingeflickte und zudem falsch ergänzte Inschrift: "her wilhel. vom nuwehus kapla. zu s[ergänzt: t. wolfgang MCCCCXXXXII]" (Gremaud/Schneuwly 1904. Taf. IV; Bergmann 2014. Bd. 2. Abb. 25.1). Beim ersten Teil der Inschrift mit dem Stifternamen, der heute im Atelier des Vitromusée ausgestellt ist, handelt es sich offenbar um den Rest einer weiteren Scheibe der Kapelle St. Wolfgang, der wahrscheinlich 1882 mit den Fragmenten der Faucigny-Scheibe zusammengefügt und ergänzt wurde. Dass sich der damalige Restaurator bei der Ergänzung der Inschrift so wenig an den Schriftcharakter des älteren Glasmalers hielt und die Jahrzahl falsch schrieb (1442 statt 1517 oder statt 1492 unter Auslassung des L ?), ist doch sehr erstaunlich.
Ein Kaplan Wilhelm Neuhaus zu St. Wolfgang wird bei Dellion nicht erwähnt. Die Familie Neuhaus ist jedoch in Freiburg und Garmiswil in der Pfarrei Düdingen um 1448 belegt (Gremaud/Schneuwly 1904. S. 11). Ein Wilhelm Newhus genannt Garmiswyl war 1515 Chorherr zu St. Nikolaus und 1517 Generalvikar (Dellion VI, 1888. S. 318; Brasey 1912. S. 140; Nach Thürler 1997. Nr. 5072 und Clergé séculier et régulier S. 79 unter Guillaume Garmiswyl alias Mürsing. Seine Einsetzung am Michaelsaltar: StAF RM 35, 1517/18, fol. 53r [1518]). Er war Kaplan am St. Martinsaltar in der Nikolauskirche und besass ein Haus am Kornmarkt (StAF RN 115, fol. 80r und 139v [1515 bzw. 1518]. Mit seinem Bruder Hentz Nüwhuss verkaufte er ein Lehenrecht in Garmiswil. RN 133, fol. 107r/v [20.8.1517]). Er dürfte der Stifter einer weiteren, heute verlorenen Scheibe zu St. Wolfgang gewesen sein (s. auch FR_23).
Bis heute wird die vorliegende Wappenscheibe als Stiftung Petermann de Faucignys betrachtet. Petermann de Faucigny stammte aus einer noblen Familie von Montagny und Vevey, die seit 1398 das Bürgerrecht von Freiburg besass. Der Sohn Pierre de Faucignys und Isabella von Praromans wurde 1457 Bürger in Freiburg. 1460 erwarb er die Herrschaft und das Schloss Misery, dessen Festsaal mit Wandmalereien der Neun Helden ausgeschmückt wurde. Faucigny war 1462 Sechziger, sass 1469 im Kleinen Rat und wurde im gleichen Jahr zum Ritter des goldenen Kreuzes ernannt. 1471–1474 war er Bürgermeister und von 1478–1511 siebenmal Schultheiss. Er führte 1476 die Freiburger Kontingente in die Schlachten von Grandson und Murten. Im Feldzug nach Bellinzona war er 1478 Anführer der Freiburger Truppen, und 1489 amtete er als Vertrauensmann des französischen Königs bei den Eidgenossen. Mehrfach diente er als Gesandter an die Tagsatzungen oder an die ausländischen Höfe. Unter seiner Führung wurde Freiburg 1481 in den eidgenössischen Bund aufgenommen. Er spielte demnach eine wichtige Rolle in allen staatlichen Angelegenheiten und verdankte dies sicher seinem Vermögen, aber auch seinen Beziehungen zu allen grossen Familien Freiburgs. Petermann de Faucigny war seit 1476 mit Barbara, Tochter des Schultheissen Rodolphe de Vuippens, verheiratet, die 1498 kinderlos verschied. Der grosse Freiburger Staatsmann starb 1513 als letzter seines Geschlechts, kurz nachdem er sein Testament am 24. Dezember verfasst hatte (Seine Grabplatte befindet sich in Kirche St. Nikolaus. Strub. Kdm FR II. 1956. S. 97). Fraglich ist folglich, ob er die Scheibe noch vor seinem Tod vergabt hatte, oder ob es sich um eine posthume Stiftung handelt. Da Petermann de Faucigny 1497 Schiedsrichter in einem Streit um Eigentumsansprüche zwischen dem Pfarrer und den Kirchgenossen von Düdingen gewesen war (Brügger 1972. S. 34–35), ist denkbar, dass man noch 1517 eine Scheibe zu seinem Gedenken hätte anfertigen lassen. Petermann de Faucigny ist auch als grosszügiger Wohltäter bekannt. Er schenkte der Kirche St. Nikolaus eine Silbermadonna, die laut Testament seine goldene Ordenskette tragen sollte und vor der er sich beisetzen liess. Statue und Kette wurden 1798 dazu benutzt, die Franzosen auszubezahlen (vgl. Vevey 1950. S. 31. Zu seinem Wappen und Siegel s. Vevey Armorial III. 1943. S. 40). Faucigny stiftete auch 1484 das monumentale Kreuz, das sich ehemals auf dem Friedhof von St. Nikolaus befand und nun im städtischen Friedhof St. Leonhard aufgestellt ist (Gremaud 1895, pl. V. Strub. Kdm FR II. 1956. S. 155; Freiburger Skulptur 2011. Bd. 2. S. 12–13, Kat.-Nr. 1; vgl. Bergmann 2014. Bd. 1. S. 259). In seinem Testament hinterliess er 1513 der Wallfahrtskirche Unserer Lieben Frau in Bürglen einen Kelch, den er aus der Schlacht von Murten heimgebracht hatte und umgestalten liess (Peissard 1911, pl. XX; Strub. Kdm FR III. 1959. S. 412–413, Abb. 398; Burgunderbeute 1969. S. 267, Nr. 168).
Von den aus der Kapelle St. Wolfgang stammenden Scheiben trägt nur eine das Datum 1517 (FR_21). Da der Glasmaler Rudolf Räschi in diesem Jahr auch eine Stiftung der Stadt Freiburg in die Kapelle von St. Wolfgang ausführte (SR 229, 1517/I, fol. 21v, zitiert bei Anderes 1963. S. 213, Nr. 259), ist anzunehmen, dass er auch die Scheiben der privaten Stifter dorthin schuf. Leider hat sich die Scheibe der Stadt Freiburg nicht erhalten. Trotz dieser eher unsicheren Ausgangslage bilden die Scheiben aus St. Wolfgang den Ausgangspunkt für sämtliche Zuschreibungen an den Freiburger Glasmaler (vgl. Bergmann 2014. S. 348). Tatsächlich entsprechen die überlieferten Traditionen in der Regel der Tatsache, dass eine zusammengehörige Serie von Glasgemälden von einem Glasmaler geschaffen wurde und nur selten durch die Schenkung einer von einem anderen Glasmaler ausgeführten Scheibe ergänzt wurde (vgl. FR_172).
Dating
Um 1517
Date of Receipt
1882
Original Donor
Faucigny, Petermann de (um 1434–1513), Nachstiftung
Donor / Vendor
Kapelle St. Wolfgang, Düdingen
Previous Location
Place of Manufacture
Owner
Previous Owner
Kapelle St. Wolfgang, Düdingen. 1882 vom Freiburger Museum erworben. Heute als Leihgabe im Schloss Greyerz ausgestellt.
Inventory Number
MAHF 3462