Forschung
Die Heiligen Krispin und sein jüngerer Bruder Krispinianus waren noble Christen im alten Rom und wurden ihres Glaubens wegen von Kaiser Diokletian verfolgt. Sie flohen daher nach Soissons, wo sie das Schusterhandwerk erlernten und arme Christen mit Schuhwerk beschenkten. Man verfolgte sie jedoch auch dort, nahm sie gefangen und enthauptete sie. Seit Ende des Mittelalters wurden die Brüder als Patrone der Schuhmacher in ganz Europa populär. Interessanterweise verehrte die Freiburger Schuhmacherzunft aber nur den älteren hl. Krispin als ihren Schutzheiligen (Wild 1945. S. 81; Sille Maienfisch 1996/97. S. 80), der auf dieser Scheibe daher allein nimbiert erscheint.
Ein Zusammenhang mit der Freiburger Schuhmachergesellschaft drängt sich daher auf. Laut Vermerk im Museumsinventar soll die Scheibe aus dem Zunfthaus der Schuster stammen, das sich unten am Stalden Nr. 10 befand (alte Metzgerei Hofstetter, Martiniplan, Nr. 29, Abb. 97) und erst im 19. Jahrhundert auf den Kleinen Paradies-Platz (heute Lindenstrasse 5) verlegt wurde. Die Schuhmacherzunft war mit dem Augustinerkloster verbunden, die das Patronat über die Kapelle Klein St. Johann besass (Wild 1945. S. 81). Sie besass jedoch einen Altar in der Franziskanerkirche, für den sie Ende des 15. Jahrhunderts ein Retabel herstellen liess. Dessen Flügel aus der Hand des Berner Nelkenmeisters trägt eine Darstellung beider Heiligen, die in ihrer Werkstatt Schuhe an die Armen verteilen (Schweizerisches Nationalmuseum Inv.-Nr. LM 12982. Wüthrich/Ruoss 1996. S. 58, Nr. 74; Andrey 1995. S. 56, Abb. 2). Eine eiserne Ofenplatte aus dem Zunfthaus der Schuster stellt ebenfalls die Zunftheiligen dar (Inv.-Nr. MAHF 2278; Flies 1992. S. 57–60, Nr. 5, S. 94–96, Abb. 5). Die Fahne der Schuhmacherzunft aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts bildet in ihrem Quartier den hl. Krispin allein stehend mit dem Schusterbeil ab (Inv.-Nr. MAHF 4740; Sille Maienfisch 1996/97. S. 81–82).
Laut Museumsinventar stammen auch die folgenden Rundscheiben mit dem Christusmonogramm und hl. Andreas aus dem Zunfthaus der Schuster (FR_37, FR_38). Darauf weisen auch die gleiche Grösse, die gleiche Technik und der gleiche Stil hin.
Leider ist das Archiv der Zunft zu Schuhmachern nur fragmentarisch auf uns gekommen, so dass die Stiftungsumstände auch über diesen archivalischen Weg nicht geklärt werden können. Befremdend bleibt, dass Max de Techtermann alle drei Scheiben offenbar im Seebezirk erworben hatte und damals die gemeinsame Herkunft aus einer dortigen Kirche annahm (vgl. sein Inventar im StAF DIP 1185e. Sie könnten durchaus die Rautenverglasung eines Kirchenfensters im savoyischen Stil geziert haben, wie sie mehrfach in der Kollegiatskirche Romont überliefert sind; vgl. Bergmann 2014. Bd. 2. Kat.-Nr. 291–293, Einführungstext). Daher kann die Provenienz der Scheiben nicht mit letzter Sicherheit bestimmt werden.
Stilistisch muten die Grisaillescheiben im Kreis der eidgenössischen Wappenscheiben fremd an. Es darf daher angenommen werden, dass sie wie die Scheiben des Königs von Frankreich und Herzogs von Savoyen (FR_34, FR_35) aus der Hand eines savoyisch geschulten Lausanner Glasmalers stammen (vgl. dazu v. a. Bergmann 2014. Bd. 1. S. 406–412). Eine motivisch, stilistisch aber nur im weitesten Sinn vergleichbare, etwa gleichzeitige Rundscheibe – vielleicht niederländisch-französischer Herkunft – wird im Bally-Schuhmuseum in Schönenwerd aufbewahrt (Bally-Schuhmuseum, Schönenwerd, Neg.-Nr. 899. Fotosammlung des SLM Inv.-Nr. 5553; Bergmann 2014. Bd. 2. Abb. 36.1).
Datierung
Um 1535
Zeitraum
1530 – 1540
Eingangsdatum
1902
StifterIn
Schenker*in / Verkäufer*in
Max de Techtermann, Freiburg
Ursprünglicher Standort
Herstellungsort
Eigentümer*in
Vorbesitzer*in
Aus der Sammlung Max de Techtermann 1902 angekauft. In dessen Inventar die Herkunft Seebezirk angegeben. Laut Museumsinventar aus der Zunft der Schuster in Freiburg.
Inventarnummer
MAHF 4382